Wie unterscheidet sich die Varusgonarthrose von der Valgusgonarthrose?

Die Diagnose „Gonarthrose“ bedeutet: Der Knorpel im Kniegelenk nutzt sich ab – meist über einen längeren Zeitraum hinweg. Was viele jedoch nicht wissen: Arthrose ist nicht bei allen Betroffenen gleich verteilt. Je nach Beinachse betrifft die Abnutzung entweder die innere oder die äussere Gelenkfläche. Mediziner sprechen dann von einer Varusgonarthrose oder einer Valgusgonarthrose. Was sich dahinter verbirgt, wie Sie den Unterschied erkennen und warum Ihre Beinstellung eine zentrale Rolle spielt, erfahren Sie in diesem Artikel.

Anatomie des Knies und der Beinachse

Das Kniegelenk besteht aus drei Hauptkomponenten: Oberschenkelknochen (Femur), Schienbein (Tibia) und Kniescheibe (Patella). Zwischen Femur und Tibia befindet sich der Gelenkspalt – also der Raum, der vom Gelenkknorpel und den Menisken ausgefüllt wird. Dieser Knorpel dient als Puffer und ermöglicht schmerzfreie Bewegung.

Die Beinachse beschreibt die gedachte Linie vom Hüftgelenk über das Knie bis zum Sprunggelenk. Bei einer geraden Beinachse verläuft diese Linie nahezu gerade durch das Kniegelenk, sodass das Gewicht gleichmässig auf die Innen- und Aussenseite des Gelenks verteilt wird. Kommt es jedoch zu einer Fehlstellung – nach innen oder aussen – verändert sich die Druckverteilung im Knie.

Varusgonarthrose – Arthrose bei O-Beinen

Bei einer Varusfehlstellung (auch O-Bein genannt) ist die Beinachse nach aussen verschoben. Das bedeutet: Die Knie sind weiter auseinander als normal, während die Füsse beinahe zusammenstehen. Diese Fehlstellung führt dazu, dass das innere Kompartiment des Kniegelenks – also der Knorpel auf der Innenseite – übermässig belastet wird.

Typische Merkmale der Varusgonarthrose

• Beine in O-Stellung
• Arthrose betrifft vorwiegend die Innenseite des Kniegelenks
• Schmerzen bei Belastung, insbesondere beim Gehen oder Stehen
• Häufiges Auftreten bei Männern mittleren bis höheren Alters

Ursachen und Entstehung

Die Varusgonarthrose kann durch angeborene O-Beine, Übergewicht, übermässige Belastung (z. B. durch harte körperliche Arbeit oder bestimmte Sportarten) oder unzureichend behandelte Bandverletzungen entstehen. Durch die einseitige Überlastung wird der Knorpel an der Innenseite des Knies schneller abgenutzt. Unbehandelt verstärkt sich die Fehlstellung im Lauf der Zeit weiter.

Auch eine frühere Teilentfernung des Innenmeniskus oder nicht korrekt verheilte Frakturen im Bereich des Schienbeinkopfs können eine spätere O-Bein-Fehlstellung mit begleitender Varusgonarthrose begünstigen.

Valgusgonarthrose – Arthrose bei X-Beinen

Bei einer Valgusfehlstellung (auch X-Bein genannt) kippt die Beinachse nach innen. Das bedeutet: Die Knie berühren sich oder sind einander stark angenähert, während die Füsse weiter auseinander stehen. Dadurch wird das äussere Kompartiment des Kniegelenks überlastet.

Typische Merkmale der Valgusgonarthrose

• Beine in X-Stellung
• Arthrose betrifft vorwiegend die Aussenseite des Kniegelenks
• Einseitige Schmerzen aussen am Knie
• Tritt etwas häufiger bei Frauen auf, kann aber auch Männer betreffen

Ursachen und Entstehung

Auch eine Valgusgonarthrose kann durch angeborene Fehlstellungen, muskuläre Dysbalancen, Bindegewebsschwächen oder nach Verletzungen (z. B. des Innenbandes) entstehen. Da die Belastung dauerhaft auf die Aussenseite wirkt, nutzt sich der Gelenkknorpel dort schneller ab.

In einigen Fällen entsteht eine Valgusstellung infolge von Verletzungen, z. B. nach Brüchen des Oberschenkelknochens oder bei muskulären Dysbalancen, die das Kniegelenk langfristig fehlbelasten.

Bildhafter Vergleich: O-Bein vs. X-Bein

Stellen Sie sich vor, Sie stehen gerade mit den Füssen nebeneinander:

• Bei einem O-Bein sehen Ihre Beine aus wie ein grosses „O“ – die Knie sind weit auseinander. Das Körpergewicht drückt nach innen auf das Knie.
• Bei einem X-Bein hingegen berühren sich Ihre Knie, während die Füsse nach aussen zeigen – wie ein „X“. Das Gewicht wirkt stärker auf die Aussenseite des Knies.

Je weiter die Abweichung von der neutralen Beinachse, desto einseitiger wird das Knie belastet – und desto höher ist das Risiko für eine Gonarthrose. Weitere Details zur Behandlung von X-Beinen und O-Beinen finden Sie in diesem Artikel.

Warum die Unterscheidung wichtig ist

Ob Ihre Gonarthrose durch eine Varus- oder Valgusstellung entstanden ist, hat direkte Auswirkungen auf die Wahl der Behandlung. Denn nur wenn die einseitige Belastung korrigiert oder zumindest abgefedert wird, lässt sich der Fortschritt der Arthrose bremsen. Folgende Hilfsmittel können im Alltag unterstützen:

• Kniebandagen: entlasten das Knie bei Bewegung und stabilisieren das Gelenk.
• Einlagen mit Fersenkeil: verändern die Beinachse minimal und korrigieren die Belastungsverteilung (nur bei milder Fehlstellung sinnvoll).
• Korrekturorthesen: sogenannte Entlastungsorthesen (engl. Unloader Braces) können gezielt das betroffene Kompartiment entlasten.

Hinweis: Je nach Ausprägung der Fehlstellung ist eine individuelle orthopädische Beratung notwendig. Bei ausgeprägten Abweichungen kann eine konservative Versorgung mit Einlagen oder Bandagen an ihre Grenzen stossen – hier kommen teils spezielle Orthesen mit Achskorrekturfunktion zum Einsatz.

Weitere Informationen zur konservativen Behandlung – inklusive Physiotherapie, Kniebandagen, Injektionen und Wärmeanwendungen – finden Sie in unserem ausführlichen Artikel zur Gonarthrose. Dort erfahren Sie auch, wann eine Operation notwendig sein kann.

Fazit: Die Beinachse entscheidet über den Arthrosetyp

Die Varusgonarthrose (O-Bein) betrifft die innere Seite des Kniegelenks, während die Valgusgonarthrose (X-Bein) die äussere Seite betrifft. Beide Formen entstehen durch eine ungleichmässige Belastung des Kniegelenks – entweder durch angeborene Fehlstellungen, Verletzungsfolgen oder Überbelastung. Eine frühe Erkennung und gezielte Entlastung – etwa durch Bandagen oder Korrekturorthesen – kann helfen, den Knorpelabbau zu verlangsamen und Schmerzen zu lindern.

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